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Ruhestand, Solidarität und Träume

Von Alain Carrupt

Einen Plan für meinen Ruhestand haben. Dieser Gedanke kam mir manchmal in den Sinn, wurde aber schnell von einem "Ich habe noch viel Zeit" verdrängt.  

Eine Gewissheit hatte ich jedoch. Die, dass ich endlich Zeit zum Lesen haben würde. Die Leidenschaft für Bücher, die ich als Teenager entwickelte, als ich davon träumte, Buchhändler zu werden, hat mich nie verlassen. Eine weitere "fixe Idee" war die Solidarität. Es war klar, dass mich der Motor meines gewerkschaftlichen Engagements auch im Ruhestand nicht verlassen würde. 

Macht des Schicksals, Zufall, Glück? Es ist schwer, das Geflecht zu entwirren. Dennoch haben sich nach und nach, ohne genaue Planung, die Zutaten für ein ideales Ruhestandsprojekt zusammengesetzt. 

Erste Etappe im Jahr 2008. Die Entscheidung über die Fusion zwischen der Gewerkschaft Kommunikation, deren Vorsitzender ich war, und der Gewerkschaft Comedia hat mich teilweise wieder in die Welt der Bücher zurückgeworfen. Tatsächlich war eine der ursprünglichen Bestandteile von Comedia die Gewerkschaft Buch und Papier (SLP). Sehr schnell entstand eine Idee. Da wir die Berufe der Buchbranche vertraten, wäre es schön, einen Stand auf dem Bücherfest in Saint-Pierre-de-Clages zu haben. 

Zweite Etappe: das Treffen mit meinem Standnachbarn, der seit 2008 jedes Jahr auf der Fête du livre vertreten ist. Als langjähriger Buchhändler hat er mir viel beigebracht und vor allem seine Leidenschaft für gebrauchte Bücher weitergegeben. Das ging so weit, dass ich ihn, wenn ich die Möglichkeit dazu hatte, mit grossem Vergnügen auf Märkte und Flohmärkte begleitete. 

Dritte Etappe: die Begegnung mit dem Zeichner Serge Ernst, der die Comicserie Boule à Zéro gezeichnet hat. Comics, die auf witzige und rührende Weise die Krankenhausabenteuer von Zita, einem kleinen Mädchen mit Leukämie, erzählen. Bevor die erste Folge der Serie 2012 erschien, hatte Serge Ernst ein Krankenhaus in seiner Region darum gebeten, in die Kinderstation kommen zu dürfen, um die Atmosphäre des Krankenhauses aufzusaugen.  

Tief gerührt, vor allem von den Kindern in der pädiatrischen Onkologie, beschloss er, einen Verein zu gründen, damit Kinder in Krankenhäusern in Frankreich und Belgien (seinem Heimatland) kostenlos ein Exemplar seines Comics erhalten konnten. Sein Verein "2000 BD" verschenkt mit Hilfe von Sponsoren, bei jedem Erscheinen einer neuen Episode der Serie, 2.000 Comics an Kinder im Krankenhaus. 

Ich wohnte zu dieser Zeit in Belfaux im Kanton Freiburg. Diese Ortschaft organisiert alle zwei Jahre das Comicfestival BédéMania. Im Jahr 2015 beschloss BédéMania, die Aktion von Serge Ernst, einem treuen Festivalteilnehmer, punktuell zu unterstützen und 500 Boule à Zéro-Comics an das Krankenhaus in Freiburg zu spenden. 

Als Mitglied und Freiwilliger des Vereins BédéMania habe ich diese Initiative ausserordentlich geschätzt. Und sofort entstand in meinem Kopf ein Projekt für meinen Ruhestand. In Absprache mit Serge Ernst und BédéMania beschloss ich, die "Operation Boule à Zéro" in der Schweiz aufzubauen. Sie funktioniert nur mit Freiwilligen. Das Ziel ist einfach: Boule à Zéro-Comics zu verschenken, um Kindern im Krankenhaus oder mit besonderen Bedürfnissen einen Moment der Träume zu schenken. Die Finanzierung wird durch den Verkauf von gebrauchten Büchern und die Unterstützung von Sponsoren sichergestellt. 

Seitdem hat sich das Projekt erfolgreich konkretisiert. Anfang November 2023 hat der Verein Operation Boule à Zéro mehr als 16.000 Comics, die an Kinder im Krankenhaus und an Einrichtungen, die sich für Kinder einsetzen, verschenkt! Das Ganze beruht auf dem Prinzip der Solidarität. Menschen spenden Bücher, Freiwillige verkaufen sie in unserem Buchladen und auf Märkten, und andere Menschen kaufen sie. Dazu kommt die Unterstützung von Unternehmen oder Organisationen, die es uns ermöglichen, die steigende Nachfrage der Krankenhäuser besser zu befriedigen. 

Bücher und Solidarität vereint, um Kindern Träume zu schenken.  Ein wahres Glück für meinen Ruhestand! 

Wie wäre es, wenn Sie im Hinblick auf Ihren Ruhestand Ihre Jugendträume wieder hervorholen und das wertvollste Gut (neben der Gesundheit) in dieser Lebensphase, die Zeit, nutzen würden, um diese zu verwirklichen? 

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