Zur Generativität der späteren Lebensjahre
Von François Höpflinger
Jede Gruppe hat das Recht ihre Interessen zu vertreten, und dies gilt auch für die ältere Bevölkerung. Allerdings liegt es im ureigenen Interesse älter werdender Frauen und Männer sich auch für die Interessen nachkommender Generationen einzusetzen. Nur gut ausgebildete und wirtschaftlich abgesicherte junge Menschen garantieren die Altersrenten und sind in der Lage alt gewordenen Menschen gute Hilfe und Pflege zu gewährleisten. Sich aktiv um junge Menschen zu kümmern, ist umso zentraler, als gute Kontakte zu jüngeren Menschen und eine grundsätzliche Offenheit für neue Entwicklungen die Lebensqualität älterer Frauen und Männer verbessert.
In der neueren Forschung wird eine intergenerationell verantwortliche Haltung älterer Menschen mit dem Stichwort der ‚Generativität des Alters‘ umschrieben. Ein Kennzeichen generativer Frauen und Männer besteht darin, dass sie für nachkommende Generationen Sorge tragen und sich ihrer Verantwortung für jüngere Menschen bewusst sind. Generativität im Alter kann sich sowohl auf die Vermittlung und Weitergabe von Erfahrungen an jüngere Generationen beziehen als auch auf Aktivitäten, durch die ältere Menschen einen Beitrag für das Gemeinwesen leisten. Generativität des Alters ist in der Regel mit einem hohen persönlichen Nutzen verbunden. Sie ist nämlich in hohem Masse sinnstiftend und wirkt sich dadurch positiv auf die psychische Befindlichkeit aus.
Eine interessante Konzeptualisierung verschiedener Formen der Generativität des höheren Lebensalters entwickelte die Altersforscherin Margret M. Baltes. Sie unterschied drei Formen von Generativität der späteren Lebensjahre: a) das Engagement für soziale, kulturelle oder ökologische Fragen, die über die eigene Lebenszeit hinausgehen, b) eine Offenheit für neue Dinge (um etwa auch im hohen Lebensalter von digitalen Formen der Kommunikation zu profitieren) und c) selbstverantwortliches Handeln, um möglichst spät auf Hilfe und Pflege angewiesen zu sein.
In öffentlichen Diskussionen wird viel über den Erfahrungsschatz des Alters gesprochen, aber eine zentrale Leistung vieler alter Frauen und Männer zur Entlastung der nachkommenden Generationen bleibt oft unbeachtet. Bei dieser Leistung handelt es sich um den ausgeprägten Willen vieler alter Menschen, ihre Selbständigkeit im Alltag selbst unter erschwerten Umständen zu erhalten. Je länger alte Menschen selbständig verbleiben, desto mehr werden jüngere Generationen entlastet. Programme zur Förderung der Selbständigkeit im hohen Lebensalter – etwa via Gedächtnistraining, Bewegung, Sozialkontakte - können eine wichtige intergenerative Wirkung aufweisen. Angesichts steigender Zahl alter Menschen wird der Erhalt von Selbständigkeit im Alter eine immer bedeutsamere Säule des sozialpolitischen Generationenvertrags, denn je länger alte Menschen ihren Alltag selbständig gestalten können, desto geringer ist die pflegerische Belastung der nachkommenden Generationen.