Von der eigenen Endlichkeit
Von Peter Schibli
Vor zwei Jahren starb Inge. Sie verliess uns selbstbestimmt, mit Würde und einem Lächeln im Gesicht. Vor einem Jahr starb Maria. Schwach, hilflos, verzweifelt. Mit dem Eintritt ins Pflegeheim machte für sie das Leben keinen Sinn mehr. Vor einem Monat wurde mein Freund Walter von seinen Schmerzen und einer heimtückischen Krankheit erlöst. Er ging allein, dank Schmerzmedikamenten friedlich, im Schlaf.
Jeder Mensch stirbt anders. Die einen aufgeräumt, mit sich und den Lieben im Reinen. Andere hätten gerne noch gefeiert, sich mit einer Bekannten versöhnt oder das dritte Grosskind erlebt. Wieder andere möchten noch einen Sommer erleben, den Giessbach besuchen oder das Matterhorn sehen. Nicht immer werden letzte Wünsche erfüllt. Denn der Tod kommt meistens ungeplant, unerwartet, ohne Trommelwirbel und ohne Scheinwerferlicht.
Was tun? Wir noch lebenden Angehörige, Freunde, Benannten können hinschauen, hinhören, sensibel auf offene oder versteckte Botschaften reagieren, kleine Freuden bereiten, überraschen letzte Wünsche erfüllen. Wir rüstigen Seniorinnen und Senioren, gesunden Rentnerinnen und Rentner, haben Zeit und die nötige Erfahrung, um sterbende Freunde zu begleiten, die Spitex, das Pflegepersonal zu entlasten und uns selber auf die eigene Endlichkeit vorzubereiten.
Auch ich werde einmal gehen müssen. Dank Inge, Maria und Walter weiss ich, wie das geschehen soll. Und wie nicht. Bitte steckt mich nicht gegen meinen Willen in ein Altersheim. Eingeschlossen zu sein, auf einer Demenzabteilung mit niemandem reden zu können, ist schrecklich. Ich brauche liebe Menschen um mich, die mit mir lachen, weinen und mich verstehen.
Lasst mich über meine letzten Dinge selber entscheiden, denn ich habe die Rahmenbedingungen meines Abgangs gut überlegt. Sie sind alle geregelt: In einer Patientenverfügung, einem Vorsorgeauftrag, in einem aktualisieren, bei meiner Wohnsitzgemeinde hinterlegten Testament. Ich habe selbstbestimmt gelebt, will selbstbestimmt sterben.
Last but not least. Seid nicht traurig, sondern feiert auf einer Zusammenkunft unsere Freundschaft, viele wunderbare Begegnungen, das Leben. Die Erinnerungen an Inge, Maria und Walter werden mich immer begleiten.