Digitales Zeitalter: Fallen ältere Menschen ins analoge Tal?
Von Alexander Seifert
Unser Alltag wird Schritt für Schritt digitaler – von der Arztterminbuchung bis zur Kommunikation mit Behörden läuft Vieles inzwischen online. Doch was geschieht mit jenen, die mit dieser Entwicklung nicht im gleichen Tempo mithalten können? Besonders ältere Menschen sehen sich hier oft mit Herausforderungen konfrontiert. Die Gefahr, digital ausgeschlossen zu werden, ist real – und doch zeigen aktuelle Studien auch Hoffnungsschimmer und einen Wandel.
Die Studie „Digital Seniors 2025“ von Pro Senectute in Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) liefert erfreuliche Nachrichten: Immer mehr ältere Menschen entdecken die digitale Welt für sich und integrieren sie aktiv in ihren Alltag. Die Zeiten, in denen Seniorinnen und Senioren pauschal als „digital abgehängt“ galten, sind vorbei. Viele nutzen heute selbstverständlich Smartphones, suchen Informationen online, halten Kontakt über Videotelefonie Kontakt zur Familie oder organisieren ihr Leben mit digitalen Hilfsmitteln. Das Bild vom technikfernen Senior verliert zunehmend an Gültigkeit – das digitale Alter ist im Umbruch.
Trotz dieser positiven Entwicklung zeigen sich weiterhin klare Unterschiede. Besonders die über 80-Jährigen sind seltener online. Die digitale Kluft verläuft dabei nicht nur entlang der Altersgrenzen, sondern ebenso entlang von Bildung, Wohnort und früherem Beruf. Und es geht längst nicht mehr nur um den Zugang zu Geräten - entscheidend sind digitale Kompetenzen: also die Fähigkeit, sich in der komplexen Welt von Passwörtern, Benutzerkonten und Onlineformularen sicher zu bewegen.
Dennoch bleibt das sogenannte „analoge Tal“ – der Zustand, in dem ältere Menschen ausgeschlossen werden, weil sie digitale Angebote nicht nutzen können oder möchten –ein ernstzunehmendes gesellschaftliches Problem. Wenn Bankfilialen geschlossen, Fahrkarten nur noch via App verkauft und Amtsgeschäfte ausschliesslich online abgewickelt werden, droht für viele die analoge Welt zur Sackgasse zu werden. Wer digital nicht mitkommt, wird ausgeschlossen.
Doch vielleicht birgt dieses analoge Tal auch einen Schatz, der in der heutigen Zeit neu entdeckt werden muss. Während viele Jüngere unter digitalem Dauerstress, Reizüberflutung und permanenter Bildschirmpräsenz leiden, bietet das Analoge einen wohltuenden Kontrast: ein Telefongespräch statt einer Textnachricht, ein handgeschriebener Brief statt einer E-Mail, ein Spaziergang ohne Fitness-App. Für viele wird das analoge Tal ein Ort der Entschleunigung und Reflexion– ein Ort, der die Batterien wieder auflädt.
Gerade deshalb ist es entscheidend, Brücken zwischen beiden Welten zu bauen. Digitale Bildung für ältere Menschen bedeutet nicht, das Analoge zu verdrängen - vielmehr geht es darum, beide Lebensbereiche sinnvoll zu verbinden. Auch digitale Angebote sollten wieder vermehrt analoge Alternativen anbieten - etwa durch Sprechstunden, Hotlines oder persönliche Beratung.
Denn Teilhabe bedeutet mehr als nur Zugang. Sie bedeutet Verstehen, Vertrauen und das Gefühl, wirklich dabei zu sein. Das digitale Zeitalter darf nicht zum Zeitalter der Ausgrenzung werden. Wenn wir, das analoge Tal nicht als Rückschritt, sondern als wertvollen Raum der Vielfalt begreifen, können wir gemeinsam eine Zukunft gestalten, in der niemand zurückbleibt.
Mehr zur Studie: Digital Seniors 2025