Demokratie auf Augenhöhe
Von Darleen Pfister
«Das verstehst du in deinem Alter noch nicht» oder «Wenn du dann mal Lebenserfahrung gesammelt hast, dann …»: Oft werden Fähigkeiten und Erfahrungen auf das Alter reduziert, junge Menschen nicht ernstgenommen und nicht einbezogen. Dabei wäre gerade dies sehr wichtig für die Demokratie.
Als Kind wird uns das Gefühl gegeben, dass wir erst mit der Volljährigkeit vollwertige Menschen sind. Mit 18 Jahren stellt sich heraus, dass wir vielerorts immer noch als zu jung gelten, um eine vollwertige Meinung haben zu können. Das ist frustrierend. Wieso müssen wir erst alt werden um mitzureden, wo wir doch bereits als Kinder Bedürfnisse haben? Auch schon junge Menschen sind Expert*innen – in ihrer Lebensumwelt. Wer weiss denn am besten, welche Spielsachen der Kindergarten braucht, wenn nicht die Kindergartenkinder selbst? Wer weiss denn am besten, wo sich Jugendliche unsicher fühlen und was dagegen helfen kann, wenn nicht die Jugendlichen selbst? Schliesslich hängen Erfahrungen auch damit zusammen, wie aktiv wir sind und wie wach wir durchs Leben gehen – unabhängig vom Alter.
Ob Bedürfnisse und Meinungen von Kindern und Jugendlichen frühzeitig einbezogen werden, hat auch Auswirkungen auf unsere Demokratie. Nach jeder Abstimmung wird der Zeigefinger auf die jungen Menschen gerichtet, weil ihre Stimmbeteiligung verhältnismässig tief war. Das verwundert mich aber nicht. Die ersten 18 Jahre unseres Lebens werden wir kaum in politische Entscheide einbezogen. Dann, von einem Tag auf den anderen, bekommen wir das Stimmrecht und sollen wissen, wie wir an der Demokratie teilhaben können und uns brennend dafür interessieren. Doch: Es braucht Zeit, Politik zu verstehen und sich eine Meinung zu bilden. Deshalb sollten bereits Kinder frühzeitig in die Demokratie einbezogen werden.
20 Jahre jung und politisch engagiert – damit bin ich eine Ausnahme. Begonnen hat es mit 14 Jahren, als ich Mitglied von UND Generationentandem wurde. In diesem Verein sind mir nämlich alle – auch der 89-jährige Professor – auf Augenhöhe begegnet. Ich konnte in diesem Alter nicht nur Beiträge für ein Magazin schreiben, sondern etwa auch Texte von viel älteren Autor*innen redigieren. Ich durfte Verantwortung übernehmen, habe viel gelernt und Erfahrungen gesammelt. Dank dem Vertrauen, das ältere Menschen in mich hatten, habe ich meine Selbstwirksamkeit erkannt und mich immer mehr engagiert – bis heute.
Ich wünsche mir, dass noch mehr junge Menschen dasselbe erleben dürfen. Das ist möglich, wenn wir unsere Demokratie als ein wertschätzendes generationenübergreifendes Miteinander verstehen, zu dem alle – ungeachtet von Alter, Herkunft und Aussehen – etwas beitragen können. Wenn wir alle Generationen zu Wort kommen lassen und verschiedene Perspektiven einbeziehen, können Entscheidungen nur noch besser werden. Das ist es, was wir für unsere Zukunft brauchen.
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