66 Jahre...
Von Heinz Frei
Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an – in dieser Phase des Lebens befinde ich mich gerade!
In meinem Fall beende ich, freiwillig und gesund, einen anderen Teil meines Lebens – denjenigen des Spitzensports!
Mit 20 Jahren beim Sport verunfallt, was mir eine Querschnittlähmung beschert hat, durfte ich diesen Sport wiederentdecken. Unter veränderten Vorzeichen zwar, was die Sportgeräte und Utensilien anbelangt. Mit der Zeit entwickelte sich dieses Tun zu echter Faszination, zu Emotionen und einer Empathie, wie ich das als Fussgänger erleben durfte. Mit dem Benefit, dass sich mein Körpergefühl und meine Lebensqualität, die Selbständigkeit, verstärkt positiv zeigte!
Nun bin ich an der Rad-Heim-Weltmeisterschaft in Zürich von Ende September meine letzten internationalen Meisterschaften gefahren – 44 Jahre Rollstuhlsport, vom Pionier bis zum Hochleistungssportler, dürfen enden.
Dieses Athletenleben hat mir unzählige, bereichernde Erfolge geschenkt, tausende Begegnungen ermöglicht, schöne Reiseerlebnisse generiert – ein Privileg, das mich demütig und äusserst dankbar werden lässt! Und natürlich habe ich viel dafür getan: Geschwitzt; ein paar Mal die Erde umrundet in Form von Trainingskilometern; Disziplin und Eigenverantwortung an den Tag gelegt; lieber agiert als nur reagiert, mein Leben "in eigene Hände genommen", wenn das "auf eigenen Beinen stehen" nicht mehr gelingen soll; usw.
Daraus entstanden all die Siege und lehrreichen Niederlagen, die einem mal auf Wolke sieben katapultierten oder mal den Blick in den Spiegel erforderten!
Zu 16 paralympischen Spielen wurde ich selektioniert – zehn an Sommer-Paralympics von 1984 bis 2021, dies in den Sportarten Rollstuhl-Leichtathletik und Para-Cycling-Handbike. Die sechs Winter-Games von 1984 bis 2006 bestritt ich im Langlaufschlitten – Ski nordisch.
Die 15 paralympischen Goldmedaillen, die neun silbernen und elf bronzenen sind wohl Zeugnis von meinem Fleiss, einem gewissen Talent, meinem Ehrgeiz, aber vor allem meiner ungetrübten Freude am Bewegen, an einer Szene auch, in der es mir gefällt! Nie hätte ich damals, im Spitalbett liegend, daran denken dürfen, dass mir der Sport wieder solche Dimensionen hätte aufmachen können!
Letztendlich ist nicht die glänzendste Medaille die wertvollste, sondern die Tatsache, dass es mir gelang mein Leben zu bereichern und mit Inhalten zu füllen. Nicht nur sportlich, sondern auch in Familie und Beruf. Nie war ich als "Sport-Profi" unterwegs, sondern engagierte mich gern im beruflichen Umfeld, zuletzt 25 Jahre im Schweizer Paraplegiker-Zentrum in Nottwil, wo ich als Sport-Coach im Nachwuchsbereich tätig war, und später zusätzliche Aufgaben bekleidete als Stiftungsrat, als Referent und Ambassador innerhalb der Schweizer Paraplegiker-Stiftung.
Auch mich beschlich zu Beginn die Angst vor meinem neu zu erlernenden Leben – bis ich mich an das Sprichwort erinnerte, dass uns Ängste lähmen – nun war ich tatsächlich physisch gelähmt! Ich musste einen für mich stimmigen Ausweg finden: Ich ersetzte das Wort Angst durch Respekt!
Es gelang mir immer besser mich mit Respekt an Aufgaben, Herausforderungen zu wagen- durchaus mit Mut und Zuversicht! Der Mehrwert ist offensichtlich: Durch Vordenken, mentale Arbeit, durch Vorfreude auf Ziele, gelingen bessere Resultate und Leistungen – durch Fokussierung!
Diese Tugenden dürfen auch mit 66 Lebensjahren bleiben – wie auch die erste Stunde des täglichen Trainings – diese bedeutet nun Lebensvorsorge.
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