Ältere Arbeitnehmende stärker ins Zentrum rücken
Von Severin Moser
Alle wollen alt werden, aber niemand will alt sein. Dabei altern wir gerade in der Schweiz meist bei bester Gesundheit – und sind folglich noch voller Tatendrang! Umso bedauerlicher ist es, dass in der Schweiz die älteren Arbeitnehmenden teilweise weniger arbeiten, als sie eigentlich möchten, weil die politischen Rahmenbedingungen eine Weiterarbeit nach dem offiziellen Pensionsalter zu wenig attraktiv erscheinen lassen. Bei anderen fängt das Problem noch früher an, beispielsweise dann, wenn Mitarbeitende ab 50 unternehmensintern nicht mehr weiterentwickelt werden oder gar vor der Pensionierung arbeitslos werden und in der Folge länger als Junge auf Stellensuche sind oder schlimmstenfalls gar keine neue Anstellung mehr finden.
All diese Fälle sind nicht bloss unbefriedigend, sondern auch verpasste Chancen. Vor allem aber können wir uns als Land eine solche Vernachlässigung von Arbeitskraft eigentlich gar nicht leisten. Angesichts der Alterspyramide der Bevölkerung, deren Form wir mit ganz Westeuropa teilen und die je länger, desto mehr keiner Pyramide mehr ähnelt, denn der Anteil der über 65-Jährigen nimmt laufend zu, währenddem der Anteil von Personen im erwerbsfähigen Alter sinkt.
Diese Demographie stellt die Wirtschaft und unsere Sozialwerke vor grosse Herausforderungen. Ein Lösungsansatz ist die stärkere Einbindung älterer Arbeitnehmender in den Arbeitsmarkt. Dafür müssen die Rahmenbedingungen verbessert werden – sowohl von Seiten der Politik als auch der Unternehmen. Zwar arbeiten bereits heute rund 30 Prozent der über 64-Jährigen über das offizielle Renteneintrittsalter hinaus. Dennoch bleiben Potenziale ungenutzt. Viele weitere Bürgerinnen und Bürger würden gerne über das Rentenalter hinaus arbeiten, aber die Anreize stimmen zu oft nicht. Hier ist die Politik gefordert, etwa indem sie beispielsweise den AHV-Freibetrag erhöht.
Die Unternehmen sind ebenfalls gefordert, indem sie beispielsweise älteren Arbeitnehmenden mehr Wertschätzung entgegenbringen und ihre wertvollen Erfahrungen und Kompetenzen besser nutzen. Ältere Arbeitnehmende bringen meist einen reichen Erfahrungsschatz mit und können wesentlich zur Produktivität und Innovationskraft einer Organisation beitragen. Zu oft werden Ältere jedoch bei der Personalrekrutierung und/oder bei Weiterbildungsangeboten vernachlässigt. Unternehmen sollten gezielt auf altersgerechte Arbeitsmodelle setzen, die Flexibilität und Entwicklungsmöglichkeiten bieten. Die Einführung von Teilzeitmodellen, eine altersgerechte Aufgabenverteilung und die Förderung generationenübergreifender Teams können beispielsweise dazu beitragen, das Wissen der älteren Generation weiterzugeben und damit auch die Produktivität zu steigern.
Altersgerechte Weiterbildungsangebote und eine vorausschauende Karriereplanung können Ältere motivieren, ihre Fähigkeiten weiterzuentwickeln und länger im Erwerbsleben aktiv zu bleiben. In vielen Fällen wünschen sich ältere Arbeitnehmer weniger Verantwortung und flexiblere Arbeitszeiten, um ihre Arbeit mit anderen Lebensbereichen in Einklang zu bringen. Dies erfordert jedoch eine offene und flexible Haltung von Arbeitgebern wie von den Arbeitnehmenden.
Die Schweizer Wirtschaft kann es sich nicht leisten, auf das Potenzial der älteren Generationen zu verzichten. Um dem Arbeitskräftemangel zu begegnen und um die Zuwanderung auf ein vertretbares Mass zu begrenzen, sollten sowohl die Politik wie auch die Unternehmen aktiv werden und gezielte Anreize schaffen, die es älteren Arbeitnehmenden ermöglichen, länger produktiv im Erwerbsleben zu bleiben. So steigen die Chancen, dass der demografische Wandel erfolgreich bewältigt und die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz langfristig gesichert werden kann.
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