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Die Agenda selber bestimmen können

Von Kathy Riklin

Als man mich angefragt hat, einen Text für Innovage zu schreiben, dachte ich diese Arbeit in Kürze zu erledigen. Doch offensichtlich ist die Zeit nach der Aktivzeit viel schwieriger zu organisieren, als man denkt. Immer wieder kommen neue Aufgaben für die verschiedenen Ämter und Ämtchen, Gespräche mit Freundinnen und Freunde, gemütliche Treffen, Events, Ausflüge, Wanderungen und Reisen dazwischen. Fazit: Die Agenda füllt sich auch nach der Berufszeit enorm. Und da ich es mir nun leisten kann, vor allem das zu tun, wonach ich Lust habe, werden Dinge ohne Termine zuerst einmal aufgeschoben. Zwänge gibt es wenige. Heute geniesse ich die neuen Freiheiten. Die wenigen Verpflichtungen, die ich noch habe, machen mir Freude.

In meiner Berufszeit waren alle Tage durchgetaktet. Neben meiner Tätigkeit als Gymnasiallehrerin und Prorektorin habe ich mich 19 Jahre im Gemeinderat der Stadt Zürich und 20 Jahre im Nationalrat politisch betätigt. Das scheint eine lange Zeit zu sein, doch sie verflog im Nu. Heute geniesse ich es, über meine Agenda selbst bestimmen zu können. Mit Interesse und Distanz verfolge ich das politische Geschehen in meiner Stadt, in Bundesbern, aber auch in der EU und weltweit. Viele Leute fragen mich, ob ich die Politik nicht vermisse. Sicher hat mir die Pandemie, die 3 Monate nach meiner Amtszeit die ganze Schweiz stilllegte, den Übergang leichter gemacht. Die Sitzungen im Nationalrat und in den Kommissionen und die Meetings im Ausland wurden im März 2020, drei Monate nach meinem Rücktritt, komplett sistiert und anschliessend unter schwierigen Bedingungen nur teilweise wieder aufgenommen.

Heute verfüge ich dank meiner langjährigen Tätigkeit in Bundesbern über ein breites Netzwerk in der ganzen Schweiz. 
Intensiv beschäftige ich mich nach wie vor mit den Beziehungen Schweiz – Europa. Ich engagiere mich in verschiedenen Gruppen, in Diplomatenkreisen und ab und zu bin ich auch wieder in Brüssel. Ich habe die angespannte Situation vor dem 6. Dezember 1992 erlebt und muss heute feststellen, dass unsere Beziehungen zur Europäischen Union immer noch nicht geklärt und stabilisiert sind. Mehr als 30 Jahre haben wir uns für geregelte vertragliche Beziehungen mit der EU eingesetzt, doch die Streitereien und Pseudo-Souveränitäts-Debatten hören nicht auf. Das ist echt enttäuschend und frustrierend. 

Engagiert bin ich nach wie vor auch im Kulturbereich. Ich setze mich beispielsweise für den Mozartweg Schweiz ein, der seit dem Mozartjahr 2006 die Reiseroute, welche die Familie Mozart mit dem damals 10-jährigen Wolfgang Amadé durch unser Land von der französischen bis zur deutschen Grenze führte, sichtbar macht. Ich helfe, dass auch in der Stadt Zürich eine Mozart-Stele aufgestellt wird, nachdem bereits 25 grössere und kleinere Schweizer Gemeinden sich an diesem wunderbaren Projekt beteiligt haben. 

Meine Liebe zu Italien führt mich zu verschiedenen weiteren kulturellen Erlebnissen, sei es in Rom, im Vatikan oder in Venedig. Ich engagiere mich in der Stiftung pro Venezia und geniesse die vielen Kulturschätze und die Biennalen in dieser einmaligen Lagunenstadt. Und da es ja so einfach ist mit dem Zug Norditalien zu besuchen, zieht es mich immer wieder in diese schönen Gegenden. 

Seit 2004 bin ich Präsidentin der Winterhilfe Zürich, welche in den letzten Jahren stark gewachsen ist. Nun habe ich endlich Zeit, mehr für diese Organisation zu tun, welche die Linderung der Folgen von Armut in der Schweiz zur Aufgabe hat. So sehe ich auch, dass es noch viel Not gibt und unser reiches Land gefordert ist, die Armut zu bekämpfen und für Chancengerechtigkeit zu kämpfen.