Neujahrsvorsatz für die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV)
Von Melanie Häner-Müller
Im März 2024 hat das Schweizer Stimmvolk die Einführung einer 13. AHV-Rente beschlossen, die ab 2026 ausbezahlt wird. Ohne zusätzliche Finanzierungsmassnahmen würden die AHV-Ausgaben bereits im ersten Jahr die Einnahmen übersteigen. Gemäss dem Vorschlag des Bundesrats sollen die Mehrkosten durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um 0,7 Prozentpunkte gedeckt werden. Die ständerätliche Kommission will alternative Finanzierungsmodelle prüfen lassen. Gleichzeitig wächst der Finanzierungsdruck aufgrund der alternden Bevölkerung, was zusätzliche Massnahmen erforderlich macht. Das neue Jahr bietet daher eine gute Gelegenheit, die Finanzierung der AHV auf einen langfristig tragfähigen Kurs zu bringen.
Erfreulicherweise leben wir immer länger. Gleichzeitig sinkt die Geburtenrate. Dies führt zu einem Anstieg des sogenannten Altersquotienten – dem Verhältnis der Bevölkerung ab 65 Jahren zu jener der 15- bis 64-Jährigen. In den 70er Jahren kamen noch fünf Erwerbstätige für einen Rentner auf, heute sind es nur noch drei. Für 2050 wird prognostiziert, dass eine Rente durch nur zwei Erwerbstätige gestemmt werden muss. Hinzu kommt, dass sich mit der demografischen Entwicklung auch die politischen Mehrheiten verschieben: Der Medianwähler ist heute 57 Jahre alt. Dadurch entsteht die Versuchung, die Finanzierungsprobleme der Altersvorsorge auf zukünftige Generationen abzuwälzen – auf Generationen, die noch nicht geboren sind und deren Interessen im politischen Prozess keine Berücksichtigung finden.
Wie kann die Finanzierung wieder ins Lot kommen? Es gibt drei zentrale Stellschrauben: Die Ausgabenseite, die Einnahmenseite und das Rentenalter. Ausgabenseitige Rentenkürzungen sind politisch in vielen Ländern schwer durchsetzbar, da der Medianwähler meist für den Erhalt oder sogar Ausbau der Renten kämpft. Zudem werden beitragsabhängige Leistungsansprüche häufig als «erworbene Rechte» betrachtet, die nur schwer verändert werden können. Daher wird das Finanzierungsproblem häufig über die Einnahmenseite angegangen – etwa durch höhere Lohnbeiträge oder eine Erhöhung der Mehrwertsteuer, wie der aktuelle Finanzierungsvorschlag zur 13. AHV-Rente veranschaulicht.
Eine vielversprechende Option ist jedoch die Erhöhung des Rentenalters, da diese sowohl die Einnahmen steigert (durch längeres Arbeiten und Beitragszahlende) als auch die Ausgaben senkt (durch kürzere Rentenzahlungen). Mittlerweile haben zwei Drittel der OECD-Länder automatische Anpassungsmechanismen eingeführt, wie beispielsweise die Koppelung des Rentenalters an die Lebenserwartung.
Automatische Mechanismen sind generell ein gutes Stichwort, wenn es um tragfähige Lösungen für die AHV geht. Angesichts der Fehlanreize in der Politik, die Reformen erschweren, wäre eine stärkere Entpolitisierung wünschenswert. Ein möglicher Ansatz könnte die Einführung einer AHV-Schuldenbremse sein: Wenn die Ausgaben die Einnahmen deutlich übersteigen, müsste die Regierung dem Parlament innerhalb eines Jahres einen Sanierungsvorschlag unterbreiten. Sollte die Liquidität im AHV-Fonds weiter sinken, käme es zu automatischen Anpassungen, etwa durch eine Kombination von Rentenalter- und Mehrwertsteuererhöhungen.
Ein solcher ganzheitlicher Ansatz könnte die bisherige kurzsichtige Pflästerlipolitik ablösen. Es bedarf einer gewissen Entpolitisierung der Finanzierung unseres wichtigsten Sozialwerks, um wieder auf den Pfad der langfristigen Tragfähigkeit zurückzukehren. Dies wäre auch eine willkommene Entlastung für den derzeit stark beanspruchten Bundeshaushalt. Lassen Sie uns deshalb mit diesem Neujahrsvorsatz weitsichtig und zuversichtlich ins Jahr 2025 starten.
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