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Auszeit. Ein Innehalten mit Weitblick.

Von Thomas Süssli

Wenn ich Ende Jahr meinen Dienst als Chef der Armee beende, beginnt für mich eine neue Phase: Ich nehme mir eine mehrmonatige Auszeit. Keine neue Aufgabe, kein sofortiger Karriereschritt, keine vorgefertigte Agenda. Ich tue dies ganz bewusst – aus zwei Gründen. Erstens, weil ich mich bis zum letzten Tag mit voller Konzentration meiner Funktion widmen will. Und zweitens, weil ich glaube, dass ein bewusstes Innehalten oft der beste Ausgangspunkt für Neues ist. 

In den letzten zehn Jahren habe ich als Berufsmilitär enorm viel gelernt – über Führung, über Wandel, über Menschen. Unsere Armee ist nicht nur eine Institution der Sicherheit, sie ist auch ein Spiegelbild der Gesellschaft. Hier treffen Menschen unterschiedlichster Herkunft, Bildung und Lebensentwürfe aufeinander. Der Jurist führt den Zug, der Handwerker plant den Einsatz, die Studentin trägt Verantwortung für ihre Kameraden. Es ist genau dieses Modell, das unsere Armee so besonders und zu einer Klammer in unserer Gesellschaft macht. 

Die Armee kann dabei etwas, was sonst selten geworden ist: Sie bringt Menschen zusammen, die sich im zivilen Alltag kaum begegnen würden. Stadt und Land, digital und analog, ältere Semester und junge Erwachsene. Gerade den letzten Aspekt mag ich besonders. In der Armee gibt es 20jährige Offiziere, die Verantwortung übernehmen. Und es gibt 50jährige Kader, die jüngeren Kameraden mit Erfahrung unterstützen und weiterbringen. Konstruktiv. Die Losung «Ich bin länger hier als Du, also weiss ich es natürlich besser» ist nicht in Stein gemeisselt.  

Wenn ich nun also einen Schritt zurücktrete, dann tue ich dies auch mit grosser Dankbarkeit. Für die Menschen, die ich kennenlernen durfte. Für die Erfahrungen, die ich sammeln konnte – gerade von jüngeren Kameraden. Und für ein Land, das ein System entwickelt hat, das Leistung mit Bescheidenheit, Verantwortung mit Gemeinschaft und Führung mit Dienst verbindet. 

Ich bin gespannt, wohin mein Weg mich nach der Auszeit führen wird. Noch aber bin ich auf meinem Posten. Mit klarem Blick, vollem Einsatz und der festen Überzeugung, dass auch ein Innehalten Teil jeder guten Strategie ist. 

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